Produktlebenszyklusmanagement (PLM) und Nachhaltigkeit

Einleitung

Produktlebenszyklusmanagement (PLM) ist ein systematischer Ansatz zur Verwaltung des gesamten Lebenszyklus eines Produkts – von der Entwicklung über die Produktion und Nutzung bis hin zur Entsorgung. Mit wachsendem Bewusstsein für Nachhaltigkeit und den steigenden Anforderungen von Regulierungsbehörden und Kunden entwickelt sich PLM zu einem zentralen Instrument, um Umweltziele zu erreichen. Green PLM verbindet traditionelle PLM-Praktiken mit Nachhaltigkeitsaspekten, indem es umweltfreundliche Innovationen und die Einhaltung regulatorischer Anforderungen fördert.

I. Regulatorien und Initiativen im Zusammenhang mit Green PLM

1. EU Green Deal EU

Der Green Deal EU ist die zentrale Strategie der Europäischen Union, um Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Dazu gehört die Förderung nachhaltiger Produktions- und Konsummuster sowie die Einführung strenger Umweltstandards.

Bedeutung für Green PLM: Green PLM hilft Unternehmen, ihre Prozesse und Produkte so zu gestalten, dass sie die Ziele des Green Deal unterstützen. Dazu gehört die Transparenz über Treibhausgasemissionen und die Unterstützung der Kreislaufwirtschaft von Produkten und Materialien.

2. CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive)

Die CSRD verlangt von Unternehmen, umfassende Berichte über ihre Nachhaltigkeitsleistungen zu erstellen. Ziel ist es, die Transparenz zu erhöhen und den ökologischen und sozialen Einfluss von Geschäftstätigkeiten offenzulegen.

Bedeutung für Green PLM: PLM-Systeme helfen Unternehmen, Nachhaltigkeitsdaten über den gesamten Produktlebenszyklus zu sammeln und für die Berichterstattung bereitzustellen. So können Unternehmen ihre Leistungen gemäß den Anforderungen der CSRD bewerten und verbessern.

3. Lieferkettengesetz

Das Lieferkettengesetz fordert Unternehmen dazu auf, die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards entlang ihrer Lieferketten sicherzustellen. Dies betrifft die Beschaffung von Rohstoffen und die Herstellung von Komponenten.

Bedeutung für Green PLM: Durch die Integration von Lieferantendaten in PLM-Systeme können Unternehmen die Transparenz in der Lieferkette erhöhen und die Einhaltung des Lieferkettengesetzes gewährleisten. Frühzeitige Risikoerkennung und -bewältigung wird dadurch erleichtert.

4.. ESPR (EcoDesign for Sustainable Products Regulation)

Die ESPR ist Teil des EU Green Deal und legt ökologische Anforderungen an die Produktgestaltung fest. Ziel ist es, Produkte nachhaltiger zu machen, indem sie energieeffizienter, langlebiger und leichter recycelbar werden.

Bedeutung für Green PLM: PLM-Systeme unterstützen Unternehmen dabei, nachhaltige Produkte gemäß den ESPR-Vorgaben zu entwickeln.  Sie stellen die notwendigen Bauteil- und Materialdaten bereit, sodass Konstrukteure nachhaltigere Entscheidungen treffen können.

6. Circular Electronics Initiative

Die Circular Electronics Initiative der EU zielt darauf ab, die Elektronikbranche nachhaltiger zu gestalten. Im Fokus stehen langlebige, reparierbare und recycelbare Produkte.

Bedeutung für Green PLM: Mit Hilfe von PLM-Systemen können Unternehmen Elektronikprodukte entwerfen, die den Anforderungen der Initiative entsprechen. Die Systeme unterstützen den gesamten Prozess von der Konzeption bis zum Recycling, indem sie Materialauswahl, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit berücksichtigen.

II. Digitale Werkzeuge und Technologien zur Förderung von Green PLM

1. Digitaler Produktpass

Der Digitale Produktpass ist ein Schlüsselinstrument der EU zur Förderung der Kreislaufwirtschaft. Er enthält Informationen über die Materialzusammensetzung, die CO₂-Bilanz und die Recyclingfähigkeit eines Produkts.

Bedeutung für Green PLM: PLM-Systeme können Daten entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produkts integrieren und für den digitalen Produktpass bereitstellen. Dies erleichtert die Einhaltung von Umwelt- und Nachhaltigkeitsanforderungen.

2. Batteriepass

Der Batteriepass ist ein spezieller Digitaler Produktpass für Batterien, der detaillierte Informationen über deren Lebenszyklus liefert, wie etwa die Herkunft der Materialien, die CO₂-Emissionen und die Recyclingfähigkeit.

Bedeutung für Green PLM: In Branchen wie der Elektromobilität ist der Batteriepass entscheidend, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen und so den Marktzugang zu gewährleisten. PLM-Systeme bieten eine Plattform zur Verwaltung und Bereitstellung dieser Daten.

3. Digitale Zwillinge

Ein digitaler Zwilling ist eine virtuelle Darstellung eines physischen Produkts oder Systems, die in Echtzeit aktualisiert wird. Er spiegelt den aktuellen Zustand und die Leistung des Produkts wider.

Bedeutung für Green PLM: Digitale Zwillinge ermöglichen die Simulation und Optimierung von Produkten nach aber auch vor der physischen Produktion. Sie helfen dabei, den Energieverbrauch, die Materialeffizienz und die Umweltbelastung zu analysieren und zu reduzieren.

4. Data Space

Ein Data Space ist ein kollaborativer digitaler Raum, der es Unternehmen und Organisationen ermöglicht, Daten sicher und kontrolliert auszutauschen. Er basiert auf standardisierten Schnittstellen und Governance-Modellen, die sicherstellen, dass Dateneigentümer jederzeit die Kontrolle über ihre Daten behalten. Data Spaces sind ein zentraler Bestandteil der EU-Datenstrategie und sollen den Austausch von Industrie- und Produktdaten fördern.

Bedeutung für Green PLM: Data Spaces spielen eine entscheidende Rolle bei der Integration von Nachhaltigkeitsanforderungen in PLM-Systeme. Sie ermöglichen es Unternehmen, produktbezogene Daten wie Materialzusammensetzungen, CO₂-Emissionen oder Recyclingfähigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette auszutauschen. Dies ist besonders wichtig für die Einhaltung von Regulierungen wie dem Lieferkettengesetz oder der ESPR, die Transparenz über die gesamte Lieferkette hinweg erfordern.

Durch die sichere und standardisierte Datenfreigabe können PLM-Systeme nahtlos mit externen Partnern, wie Zulieferern oder Recyclingunternehmen, verknüpft werden. Dies erleichtert die Verfolgung und Nachweisführung von Nachhaltigkeitsleistungen über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg.

5. LCA (Life Cycle Assessment)

Das Life Cycle Assessment (LCA), auf Deutsch Lebenszyklusbewertung, ist ein wissenschaftliches Verfahren zur Analyse der Umweltauswirkungen eines Produkts, Prozesses oder einer Dienstleistung über dessen gesamten Lebenszyklus hinweg. Dabei werden alle Phasen berücksichtigt, von der Rohstoffgewinnung über die Produktion und Nutzung bis hin zur Entsorgung oder Wiederverwertung.

Bedeutung für Green PLM: LCA ist ein zentrales Werkzeug im Rahmen von Green PLM, um die Umweltauswirkungen eines Produkts transparent und messbar zu machen. PLM-Systeme können als Datenquelle für die Durchführung einer LCA dienen, indem sie relevante Informationen wie Materialarten, Energieverbrauch und Transportwege bereitstellen.

Die Integration von LCA in PLM-Systeme ermöglicht es Unternehmen, frühzeitig in der Produktentwicklung fundierte Entscheidungen zu treffen. So können sie z. B. alternative Materialien auswählen oder energieeffizientere Produktionsprozesse priorisieren, um die Umweltbilanz zu verbessern. Darüber hinaus hilft LCA bei der Erfüllung regulatorischer Anforderungen wie der CSRD, die eine Offenlegung der Umweltauswirkungen von Produkten fordert.

Durch die kontinuierliche Analyse und Optimierung von Lebenszyklusdaten unterstützt LCA die langfristige Reduktion des ökologischen Fußabdrucks und fördert die Entwicklung nachhaltigerer Produkte.

6. Künstliche Intelligenz (KI) für Nachhaltigkeit

KI-gestützte Systeme analysieren große Datenmengen und schlagen Optimierungsmöglichkeiten für Prozesse und Produkte vor.

Bedeutung für Green PLM: KI kann in PLM-Systemen eingesetzt werden, um ressourceneffiziente Designs zu entwickeln, den Materialverbrauch zu optimieren und Vorhersagen über die Umweltbelastung neuer Produkte zu treffen.

Fazit

Green PLM verbindet die Vorteile traditioneller PLM-Systeme mit dem Ziel, nachhaltige und umweltfreundliche Produkte zu entwickeln. Die Einbindung von regulatorischen Anforderungen wie CSRD, ESPR und dem Lieferkettengesetz sowie die Nutzung moderner digitaler Werkzeuge wie Datenräume, digitaler Zwillinge und KI ermöglicht es Unternehmen, sowohl gesetzliche Vorgaben zu erfüllen als auch einen positiven Beitrag zur Umwelt zu leisten.

Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung von Technologien und regulatorischen Rahmenbedingungen wird Green PLM in den kommenden Jahren eine noch zentralere Rolle in der nachhaltigen Transformation von Unternehmen – von linear zu zirkular – spielen.

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